otl und die hfg

Jeden Morgen sehe ich die weiß-blaue Olympiapark-Landschaft auf dem Plakat in meinem Schlafzimmer. Diese schlichte Gestaltung der Hügel, und mittendrin, nicht zentral, so schön nebenbei, steht der Olympiaturm vor dem Zeltdach des Olympiastadions. Das Plakat ist ein Original-Überbleibsel der Münchner Sommerolympiade 1972, und ein Faible für diese Art von Geschichte habe ich schon lange. Genauso wie für eckige Betongebäude vor blauem Himmel.

In Ulm am Wochenende kam alles zusammen.

Denn es ist so. Der Ulmer Otl Aicher, verheiratet mit Inge, der Schwester der Scholl-Geschwister, gründete mit seiner Frau Anfang der 50er Jahre eine Hochschule für Gestaltung in Ulm. Sie bauten auf dem Eselsberg ein schlichtes Gebäude aus Sichtbeton, das mit seinen großen Fensterflächen hinunter ins Tal schaut und sich dabei an den Berg schmiegt wie kleine Holzklötzchen der Modelleisenbahn. Dieser Kasten, modern, funktional, lichtdurchflutet, mit großem Werkstatttrakt, Mensa und einem Studentenwohnheim für eine Einheit von Arbeiten und Wohnen, beherbergt heute, über vierzig Jahre nach Ende der Hochschule, das HfG-Archiv.

Denn in der vergleichsweise kurzen Geschichte der Kunsthochschule entstanden Produkte, die uns heute in die Augen stechen und vor allem genau meinen Geschmack treffen. Wie zum Beispiel das Ulmer Stapelgeschirr, das in wenigstens kleinen Teilen in meiner Küche geschont wird. Und eben auch dieses Plakat in meinem Schlafzimmer.

Otl Aicher, der dieses Jahr 90 Jahre alt geworden wäre, entwarf in den 70ern das Erscheinungsbild der Sommerolympiade in München. „Alle Elemente sollten zur Schaffung eines positiven psychologischen Klimas auf der Ebene einer gehobenen Feststimmung beitragen“ (aus der Ausstellungsbroschüre Otl Aicher – Die Regenbogenspiele). Mit wenigen pastelligen Farben, einer einzigen Typo und einem Rastersystem für Piktogramme entstand das komplette Erscheinungsbild der Spiele. Wow. Die olympischen Spiele sollten blumenhaft, spielerisch, unpolitisch, jugendhaft und fröhlich sein und auch genau so aussehen.


(aus der Ausstellungsbroschüre)

In der Ausstellung im HfG-Gebäude, wo seit letztem Jahr das HfG-Archiv untergebracht ist,  sieht man Entwürfe von Aicher, wie die öffentlichen Plätze in der Stadt gestaltet werden sollten, man steht vor einer Wand mit den großen Plakaten der einzelnen Sportarten, versteht seine Herangehensweise an einfache grafische Formen und ist verwundert über die einfache und so einleuchtende Logik dahinter. Man durfte in der Ausstellung keine Bilder machen, aber eine Broschüre mit Abbildungen gibt es.

Und da der kleine Hörsaal nicht abgesperrt war, schlichen wir uns auch dort hinein, und streunerten ein bisschen in diesem wunderschönen Betonkasten umher.

Die Ausstellung geht noch bis 14. Oktober und Ulm mit seiner Donaupromenade und der hübschen Altstadt mit den windschiefen Fachwerkhäuschen ist einen Sommerausflug wert!

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2 Gedanken zu „otl und die hfg

  1. […] anderem kleinen Schnickschnack und ein Film mit Interview Otl Aichers. Ich war gestern dort, und mein Aicher/Olympiadesign/HfG Ulm-Interesse ist ungebrochen. Da später am Abend ein Vortrag von Karsten de Riese, der einzig offiziell […]

  2. Eberhard sagt:

    Ich bin in Ulm aufgewachsen und habe Glanzzeit und Ende der HfG als interessierter Beobachter miterlebt.
    Die HfG sah sich in der Gestaltungstradition des Bauhaus nach dem Mantra „ein Produkt ist dann perfekt gestaltet, wenn man nichts wegnehmen kann ohne dass es seine Funktion verliert und nichts hinzufügen, ohne die Gestaltung zu zerstören“.
    Viele Lehrende der HfG waren auch außerhalb der Institution aktiv, deswegen ist es bei vielen Ideen nicht einfach, sie der HfG oder dem Dozenten individuell zuzuschreiben.
    Hans Gugelot, Otl Aicher oder Max Bill seien da als Beispiele genannt.
    Aus dem Kreis der HfG stammen nicht nur das Ulmer Stapelgeschirr, sondern auch das bis heute gebräuchliche weiß/blau/gelbe Lufthansa Corporate Design, die Grundlagen des BrAun Designs, Max Bills Bahnhofsuhr, der Ulmer Hocker und viele andere Dinge mehr, die man speziell hierzulande als Alltagsgegenstände sieht und gar nicht mehr als Designobjekte wahrnimmt.
    Die HfG sah Design immer auch als soziale Interaktion und damit letztlich auch als politisch. Deswegen war die HfG schon sehr bald in einem unvermeidlichen Streit mit der konservativen baden-württembergischen Landesregierung, der diese Ausrichtung und das daraus resultierende Lehrkonzept als „irgendwie links“ nicht passte. Letztlich führte das zu Streitereien ums Budget und damit zum Ende der HfG.
    Auch die Ulmer Medien hetzten immer kräftig gegen die HfG und schürte die Abneigung der Bürger gegen die „Linken Revoluzzer auf dem Berg“, obwohl sich die politischen Aktivitäten der HfG im Wesentlichen auf harmlose Statements zur gesellschaftlichen Rolle des Industriedesigns beschränkten.
    Die Ulmer waren um das Ende der HfG dann auch gar nicht gram, man war mehrheitlich froh, die politischen Störenfriede los zu sein. Bis heute wissen die Ulmer dieses großartige Stück deutscher Designtradition nicht zu schätzen, darüber sollte so eine kleine Ausstellung nicht hinwegtäuschen!

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